Haus Next

Stark in die Zukunft!

Warum sich die Next Gen gerade jetzt mit der Resilienz des Familienunternehmens befassen sollte – und wie sie am besten vorgeht

Gastbeitrag von Konrad Fröhlich

1. Resilienz prüfen – wenn nicht jetzt, wann dann?

Erst Corona und die weltweiten Verwerfungen durch unterbrochene Lieferketten, nun der Krieg in der Ukraine, die massiven Preissteigerungen bei vielen Rohstoffen und eine insgesamt höhere Inflation, die neuen Ungewissheiten in der Energieversorgung – selten sahen sich Deutschlands Familienunternehmen einer solchen Ballung von Krisen ausgesetzt. Die Schwierigkeiten treffen alle, wenn auch unterschiedlich. Je nach Branche, je nach Geschäftsmodell müssen Unternehmen kämpfen oder sich für neue Chancen öffnen.

Für ihre Eigentümer – und da vor allem die Next Gen – bietet die Situation allerdings auch Chancen. Dies mag auf den ersten Blick überraschen. Doch die vielen Krisenherde schärfen das Bewusstsein für die Anfälligkeiten des Unternehmens. Und sie erlauben eine weit offenere Diskussion.

Wer 20, 25 oder 30 Jahre alt ist und über Probleme im Familienbetrieb sprechen will, trifft häufig auf den Widerstand der Elterngeneration, die das Management kontrolliert oder gar selbst an der Spitze des Unternehmens steht. Schnell vermischt sich das Sachliche mit dem Persönlichen, ein Wort gibt das andere, Ende der Diskussion. Aktuell ist aber klar: Es sind vor allem äußere Faktoren, die das Unternehmen in eine Krise stürzen, und das macht es leichter, über die Krise zu sprechen. Frei von Schuldzuweisungen. Niemand muss sich angegriffen fühlen, niemand muss sich verteidigen. Stattdessen sind alle gehalten, gemeinsam über die Resilienz, die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens nachzudenken.

Zudem dürfte spätestens jetzt der Next Gen klar geworden sein: Ein Familienbetrieb ist harte Arbeit. Jede, jeder muss sich fragen: Will ich mir das antun, mit aller Freude, aber auch allen Einschränkungen – oder doch lieber in einem Startup in Berlin arbeiten? Künstler werden? Diese Zeit ist eine Zeit der Prüfung, für die Unternehmen, aber auch für die Familien, denen sie gehören. Wer mitreden will, wer sich dafür interessiert, die Zukunft der Firma zu sichern, ja zu gestalten, der sollte sich zuvor über ein paar Punkte klar werden.

2. Resilienz prüfen – aber wie?

2.1. Der Begriff der Resilienz

Ursprünglich kommt der Begriff der „Resilienz“ aus der Psychologie und bezeichnet die Fähigkeit des einzelnen Menschen, mit negativen Ereignissen umzugehen, Widrigkeiten zu meistern und aus Krisen ohne größeren Schaden hervorzugehen. Dabei geht es vor allem um die nötigen Ressourcen, sprich die Stärkung der Resilienz, und das Verhalten.

Seit einigen Jahren wird der Begriff zunehmend auf Unternehmen übertragen – im Sinne von Widerstandskraft und Zukunftsfähigkeit. Auch dabei geht es nicht nur um die Analyse des Status Quo, sondern vor allem um die Frage, wie Familienunternehmen ihre Strukturen stabilisieren, ihre Flexibilität steigern und ihre Wirtschaftlichkeit sicherstellen können. So gelangen zum Beispiel nur zehn Prozent aller Familienunternehmen in die vierte Generation. Alle anderen werden vorher durch Krisen oder familieninterne Konflikte zur Aufgabe gezwungen oder in den Verkauf getrieben, so das Wittener Institut für Familienunternehmen. Es ist somit alles andere als selbstverständlich, dass Firmen im Familienbesitz die Zeiten überdauern.

2.2. Die ersten Schritte

Ob die 23-Jährige, die nach dem Studium noch überlegt, ob sie ihre Zukunft im Familienbetrieb sieht, oder der 31-Jährige, der bereits erste Aufgaben in der Firma übernommen hat – beide sollten sich fragen: Was kann ich beitragen, damit das Unternehmen resilient(er) wird? Wie kann ich mich einbringen, um seine Krisenfähigkeit zu stärken, es wetterfest zu machen?

Um das zu klären, sollte sich die Next Gen zunächst informieren. Junge Menschen haben moderne Ideen, häufig aber wenig praxiserprobtes betriebswirtschaftliches Know-How. Sie sind motiviert, aber unsicher. Sie wollen vieles verändern, verfügen aber (noch) nicht über die Erfahrung, wie. Und da sie im Prozess wahrscheinlich auf Vertreter der älteren Generation stoßen werden, die mal mit Skepsis, mal mit emotionaler Abwehr reagieren, sich womöglich angegriffen fühlen, ist es sinnvoll, wenn sie sich inhaltlich vorbereiten, Ideen prüfen und Argumente suchen. Es gibt viele Wege, dies zu tun. Hier eine kleine Auswahl:

  • Befassen Sie sich mit dem Reporting des Unternehmens, mit allem, dessen Sie habhaft werden können; je früher, desto eher verlieren Sie die Scheu vor Bilanzen, Wirtschaftskauderwelsch und Zahlen (denn ja – ohne geht es nicht!). Zugegeben: Viele Unternehmensberichte sind nur schwer zu verstehen, ob aus Sachzwängen heraus, aus Unvermögen oder aus Absicht. Doch keine Sorge: Je mehr Sie wissen, desto leichter können Sie sie „lesen“.
  • Sprechen Sie mit Personen im Unternehmen und in der Familie, um Zusammenhänge, Entscheidungen und aktuelle Probleme besser zu verstehen. Seien Sie mutig!
  • Suchen Sie gezielt den Rat externer Dritter, die auch andere Unternehmen kennen und häufig einen frischen Blick bieten (wie Beiräte oder andere, denen Sie Vertrauen entgegenbringen können).
  • Vernetzen Sie sich mit Peers der Next Gen, tauschen Sie sich mit anderen über ihre Erfahrungen aus, in einem geschützten Rahmen (wie zum Beispiel bei Haus Next).

Es ist das Vorrecht der jungen Generation, mutig und voller Elan aufzutreten. Zugleich sollte, wer ans Ziel gelangen will, sensibel mit den Befindlichkeiten der Now Gen umgehen. Streit, Irritationen oder Verletzungen verhindern nur den Dialog. Und es gilt, Stärken zu bündeln. Am Ende braucht es immer beide Generationen.

2.3. Die eigene Rolle

In der Praxis ist häufig zu erleben, dass Vertreter der Next Gen anfangs Schwierigkeiten haben, das Familienunternehmen in seiner Gänze zu erfassen. Sie kennen die Berichte der Eltern, sind vielleicht durch die Hallen gelaufen und auf Betriebsfesten gewesen – doch welche Prozesse wichtig sind, welche Faktoren oder Parameter die Führung berücksichtigen muss, wissen sie nur in Ausschnitten. In diesem Fall kann es eine große Hilfe sein, die drei Sphären näher kennenzulernen, die über die Resilienz eines Unternehmens entscheiden:

  • Eigentum (Gesellschafterkreis)
  • Einflussnahme (Beirat und / oder Aufsichtsrat)
  • Entscheidungsgewalt (Unternehmensführung und Management)

Es ist leicht zu erkennen, dass mit jeder Sphäre die Nähe zum operativen Geschehen wächst. Dabei geht es für die Next Gen zunächst darum, sich die Existenz dieser drei Sphären überhaupt erst einmal bewusst zu machen, sich selbst darin zu verorten und sich klar zu werden, welche Rollen anderen Personen zufallen.

Alle drei Sphären (Perspektiven) zusammen ergeben den Resilienz-Kreislauf (nach SMP):

Je nachdem, in welcher Sphäre ich mich bewege, stellen sich andere Fragen. Je nachdem, wie Unternehmen und Familie dort dastehen, lassen sich unterschiedliche Maßnahmen ableiten, um die Resilienz zu verbessern und die Zukunftsfähigkeit zu sichern.

Im Bereich Eigentum sollte – nur zum Beispiel – gewährleistet sein, dass Ausschüttungen an die Gesellschafter regelmäßig erfolgen und vorrangig deren Altersvorsorge absichern (statt in den Konsum zu fließen!) oder dass Aufwendungen für Erbfälle bereits berücksichtigt sind. Auch sollte die Fremdfinanzierung nicht so hoch sein, dass sie die unternehmerische Souveränität infrage stellt.

Wer sich in der Sphäre der Einflussnahme bewegt, etwa als Mitglied eines Beirats, sollte prüfen, ob die operative Führung der Firma in den Händen einer souveränen Unternehmerpersönlichkeit oder eines Patriarchen mit Hang zum Alleinherrscher liegt. Er sollte schauen, ob es ein professionelles Risikomanagement samt Monitoring gibt (Rendite, Risiko, Rentabilität, Refinanzierung) und ob das Reporting für die Gesellschafter neben (rückwärtsgewandten) Zahlen auch (zukunftsgewandte) Perspektiven, Szenarien und strategische Fragen behandelt – wie die Folgen des Ukraine-Kriegs oder Fortschritte in der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit.

Im Bereich Entscheidungsgewalt geht es vor allem um die Frage, ob das Unternehmen über ein wertorientiertes Geschäftsmodell verfügt, eine Kultur der Kennzahlen (das ist selten) oder eine systematische, motivierende Personalentwicklung (das ist ganz selten). Wichtig sind Strukturen und Prozesse, die von Loyalität und Eigenverantwortung geprägt sind.

2.4. Die blinden Flecken des Familienunternehmens

Besonders gefährlich sind klassische blinde Flecken, denn es ist eine Sache, ein Risiko zu kennen, nach Abwägung aber erstmal nicht in den Fokus zu nehmen – und etwas ganz anderes, dieses Risiko gar nicht auf dem Schirm zu haben. Tritt es dann ein, trifft es einen umso unvermittelter. Hier ein paar Beispiele für typische Warnsignale im Unternehmen:

  • Das Unternehmen kann die Preissteigerungen – anders als die Konkurrenz – nicht an seine Kunden weitergeben
  • Die Geschäftsentwicklung (Umsatz, Aufträge, Rohertrag, F&E etc.) liegt seit 1-2 Jahren unter dem Branchentrend (-30% vs. „nur“ -20%)
  • Der Cashflow reicht für Investitionen oder Kapitaldienst, nicht aber für beides
  • Die Fluktuation im Management oder der zweiten Führungsebene nimmt zu, neue Kräfte lassen sich immer schwerer (oder nicht mehr) gewinnen
  • Die Finanzierung des Unternehmens ist nur noch gegen umfangreiche Sicherheiten möglich (bis hin zu Bürgschaften der Familie)
  • Die Liquidität sinkt, Lieferanten werden immer später bezahlt, Skonto entfällt
  • Bei den zentralen Zukunftsthemen wie Digitalisierung und ESG / Nachhaltigkeit herrscht mehr ein Potpourri aus Einzelmaßnahmen, ohne jede Strategie

Selbst in der Familie gibt es (immer) blinde Flecken – unangenehme Fragen, Undenkbares, Unsagbares. Wer verantwortlich handelt, nimmt auch dies in den Blick, zum Beispiel:

  • Gibt es eine klare Gewaltenteilung, sprich eine klare Trennung der drei Sphären Eigentum, Einfluss und Entscheidungsgewalt?
  • Gibt es wechselseitige Abhängigkeiten zwischen Familie und Unternehmen, die sachlich sinnvollen Entscheidungen im Wege stehen?
  • Gibt es verdeckte, unterschwellige Konflikte im Gesellschafterkreis? Eine hilfreiche Testfrage in diesem Zusammenhang: Was könnte dazu führen, dass wir als Familie auseinanderfallen?

2.5. Die blinden Flecken der Next Gen

Auch sich selbst sollte die Next Gen hinterfragen: Will ich wirklich Verantwortung übernehmen – oder handle ich mehr aus Pflichtgefühl, wegen der Erwartungen anderer? Geht es mir tatsächlich ums Unternehmen – oder womöglich mehr ums Prestige? Besitze ich die nötigen Fähigkeiten – oder bilde ich mir das nur ein? Bin ich schon bereit – oder sollte ich zunächst anderweitig Erfahrungen sammeln und an der persönlichen Weiterentwicklung arbeiten?

Wer valide Antworten sucht, sollte auch das Feedback Dritter einholen, ob in oder außerhalb der Familie (und dabei nicht nur den Lieblingsonkel fragen). Es braucht immer einen Spiegel, um sich selbst realistisch zu bewerten. Viele, zu viele Familienunternehmen sind an der Selbstüberschätzung Einzelner und an Fehlurteilen zu Grunde gegangen.

3. Von der Resilienz zur Anti-Fragilität?

Angelehnt an den Wissenschaftler Nicholas Nassim Taleb, sprechen einige inzwischen von Anti-Fragilität, die anzustreben sei. Gemeint ist die Fähigkeit von Personen oder Unternehmen, widrigen Umständen nicht nur zu trotzen, sondern an Krisen zu wachsen, unter Unsicherheit und Stress noch besser zu werden. Das Konzept ist noch konsequenter, noch wünschenswerter. Allerdings reden wir da über die ganz hohe Kunst.

Vielen deutschen Familienunternehmen wäre schon geholfen, wenn sie systematischer ihre Resilienz stärken – das ist häufig Herausforderung genug. Zumal Resilienz, einmal erreicht, kein fixer Zustand ist, sondern stete Arbeit im Detail. Mit jeder Krise werden neue, überraschende Schwachstellen im Unternehmen oder Gesellschafterkreis sichtbar. Gerade die Next Gen kann einen wichtigen Beitrag leisten, diese Herausforderung zu meistern.

Konrad Fröhlich ist Senior Partner bei der Kölner Unternehmensberatung Struktur Management Partner (SMP) und begleitet seit mehr als 20 Jahren Familienunternehmen des deutschen Mittelstands. Er verantwortet bei SMP zudem den Bereich ESG / Nachhaltigkeit.

Geschrieben von Konrad Fröhlich

Das könnte dich auch interessieren.