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Inwiefern beeinflusst das familiär-unternehmerische Umfeld den weiteren Lebenslauf der NextGens?

Hey nächste Generation, hast du mal drei Minuten? Wir bereiten Erkenntnisse aus der Forschung zu Familienunternehmen für dich auf – in nur drei Minuten Lesezeit.

Murphy, Huybrechts & Lambrechts: „The Origins and Development of Socioemotional Wealth Within Next-Generation Family Members: An Interpretive Grounded Theory Study“

Ein Unternehmen zu besitzen und zu führen, das hat für eine Familie nicht nur finanzielle Bedeutung. Als „Socioemotional Wealth“, also sozioemotionaler Reichtum, werden in der Forschung alle affektiven Vorteile bezeichnet, die eine Familie aus ihrem Unternehmen ziehen kann, wie zum Beispiel Identifikation, soziales Kapital und enge Familienbeziehungen. Auch für den Lebenslauf der nächsten Generation, insbesondere bei ihrer Entscheidung Verantwortung im Unternehmen zu übernehmen, spielt der sozioemotionale Reichtum eine große Rolle. Durch ihr Aufwachsen in einer unternehmerisch tätigen Familie sind ihre Entscheidungen immer auch durch die zeitlichen, örtlichen und sozialen Umstände geprägt. Auf Basis von 12 Interviews mit NextGens untersuchen Murphy, Huybrechts und Lambrechts, wie und warum sozioemotionaler Reichtum entsteht und wie sich dieser im Verlauf des Lebens der nächsten Generation durch kritische Erfahrungen entwickelt.

Wie entsteht „Socioemotional Wealth“ in der NextGen?

Die nächste Generation interagiert durch die Familie bereits sehr früh mit dem Familienunternehmen. Ob durch Beobachten der Eltern, Gespräche beim Abendessen oder durch erstes „Mitanpacken“ – das Familienunternehmen ist für die NextGens untrennbar mit Erinnerungen an ihre Kindheit verbunden. Meist sind sie in direkter Nähe des Unternehmens (oder auf dem Gelände) aufgewachsen und fühlen sich diesem zugehörig, weil die Firmengeschichte so eng mit der Familiengeschichte verbunden ist. Das familiär-unternehmerische Umfeld beeinflusst den weiteren Lebenslauf und prägt den individuellen sozioemotionalen Reichtum der NextGens. Dabei hat die Identifizierung mit dem Unternehmen wenig mit finanziellen Ansprüchen zu tun, sondern mit der Sozialisation in der Familie: Mitgliedschaft in der Familie bedeutet Teil des Unternehmens zu sein. Selbst bei NextGens, die später nicht operativ am Geschäft beteiligt sind, führen die frühen Erinnerungen dazu, dass sie starkes Interesse am Überleben des Familienunternehmens entwickeln.

Wie entwickelt es sich im Laufe des Lebens weiter?

Werden die NextGens älter, so formt und verstärkt sich der sozioemotionale Reichtum durch ihre Erfahrungen und erhält somit eine wichtige Rolle für ihr Verständnis der nichtfinanziellen Aspekte des Unternehmens. Für einige NextGens erzeugt der Eintritt in das Unternehmen eine stärkere Identifizierung und Bindung, da sie das Geschäft kennenlernen und Verantwortung übernehmen. Auch die Interaktionen mit Kunden ist für eine der NextGens ein wichtiges Erlebnis, da sie positives Feedback über das Familienunternehmen, und damit erweitert für die Familie und sich selbst erhält. Formale und informale Entscheidungsmacht in der Familie, sowie das Erfahren der sozialen Beziehungen des Unternehmens werden geschätzt. Was als „linked lives“, also verknüpfte Lebenswege bezeichnet wird, hat große Bedeutung für die Entwicklung von NextGens, wenn diese Beziehungen und Begegnungen ihre Entscheidungen und Möglichkeiten in der Zukunft beeinflussen. Oft wird ihnen der Wert dieser erst bewusst, wenn sie selbst im Unternehmen aktiv sind. Durch entsprechende Erfahrungen wächst auch der Wunsch, dass das Unternehmen in Familienhand bleibt, sowie insgesamt die Kontinuität des Familienunternehmens.

Und welche Auswirkungen hat es?

Sozioemotionaler Reichtum wird nicht nur durch die Erlebnisse der nächsten Generation in der Familie und im Unternehmen geprägt. Er beeinflusst die NextGens wiederum als geistige Haltung zu eben diesen zwei untrennbaren Organisationen (Unternehmen und Familie), in die sie hineingeboren sind. Bei allen NextGens wird starkes Commitment gegenüber der Erhaltung und dem Schutz des Unternehmens gebildet. Auch fühlen sie sich ihrer Familie verpflichtet, zum Beispiel wenn sie auf deren Bitte hin eine externe Karriere abbrechen, um zum familiären Unternehmen zurückzukehren. Dies kann aber auch dazu führen, dass die Verbindungen zur Familie einen NextGen dazu drängen, einer persönlich nicht bevorzugten Aufgabe im Unternehmen nachzugehen, manchmal auch über einen längeren Zeitraum. Außerdem stellte das Team fest, dass NextGens ihr Verhalten stark danach ausrichten, dem Ruf der Familie nicht zu schädigen. Ein kleiner Ausraster hinterm Steuer kann Konsequenzen für das Image des Unternehmens haben – daher ist gutes Benehmen in der Öffentlichkeit auch eine Folge des sozioemotionalen Reichtums. Gleichzeitig ermöglicht letzterer aber auch viele berufliche Chancen: durch Kontakte, Wissen, finanzielle Sicherheit und durch andere familiäre Ressourcen können NextGens auch ihre eigenen unternehmerischen Ideen umsetzen und den Familiennamen für sich nutzen. Das Interesse den sozioemotionalen Reichtum zu wahren, wirkt sich, unabhängig von der eigenen Position im Unternehmen, auf das Handeln aus und ist auch bei NextGens zu beobachten, die in keinster Weise am Unternehmen beteiligt sind.

Was bedeutet das für mich?

Aus der Studie lassen sich für dich wichtige Schlüsse über den sozioemotionalen Reichtum von Unternehmerfamilien ziehen. Er entsteht meist in der Kindheit durch Familienerinnerungen und erste Erfahrungen und Aufgaben im Unternehmen, dadurch wird eine entsprechende Identität sowie ein Zugehörigkeitsgefühl gestärkt. Im weiteren Verlauf des Lebens fördern nicht nur diese beiden Faktoren den sozioemotionalen Reichtum, sondern auch der Ruf der Familie, ihr Einfluss und ihre sozialen Beziehungen, die im Arbeits- und Familienalltag erfahren werden. Schließlich haben auch diese Familienressourcen wiederum Einfluss auf das Verhalten: auf der einen Seite wird der sozioemotionale Reichtum erhalten und geschützt, auf der anderen Seite strategisch für den beruflichen Fortschritt genutzt. Den Familien sollte klar sein, dass sozioemotionaler Reichtum daher nicht nur als Vorteil, sondern auch als Last wahrgenommen werden kann. Dies ist insbesondere relevant, da allgemein geringeres Interesse der NextGens an der Nachfolge zu beobachten ist. Die ambivalenten Folgen von sozioemotionalem Reichtum zu verstehen, hilft dabei, die Erfahrungen der nächsten Generation so zu gestalten, dass die NextGens weniger aus einer Last als aus einer Vorteilslage heraus entscheiden.

Kurz & knapp

Wie und warum entsteht sozioemotionaler Reichtum im Laufe des Lebens der NextGens?

  1. Sozioemotionaler Reichtum entsteht im Kindesalter, durch Beobachtung, Teilnahme und Aufwachsen im Unternehmen.
  2. Im Verlauf des Lebens wird sozioemotionaler Reichtum durch Verantwortung, Entscheidungsmacht, Netzwerken und Nachfolge verstärkt und geformt.
  3. Sozioemotionaler Reichtum wirkt sich wiederum auf das Verhalten aus: NextGens streben nach Erhaltung der Familie und des Unternehmens und nutzen beides strategisch für sich. 
Geschrieben von Lisa Winkler, Head of Haus Next Business

 

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