Haus Next

Wer war ich, wer bin ich und vor allem wer will ich nach meiner Nachfolge sein?

Ein Blick zurück stärkt den Weg nach vorne.

Gastbeitrag von Dr. Simon Caspary

Eine Nachfolge in Familienunternehmen hat viele Facetten und stellt die NextGens vor eine Fülle an Herausforderungen. Neben betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Fragestellungen muss die Zusammenarbeit mit der abgebenden Generation geregelt, aber vor allem der eigene Platz im Unternehmen gefunden werden. Die Kultur und Arbeitsabläufe werden ja wesentlich durch die abgebende Generation geprägt. Ebenso hat eine Nachfolge nicht nur einen Einfluss auf das Unternehmen, sondern entfaltet unweigerlich Konsequenzen für die Familie. Hier kann wirklich von einem «Abenteuer» gesprochen werden, dessen Ausgang und Dynamiken zu Beginn oftmals nicht abzusehen ist. Natürlich, das Ziel ist die erfolgreiche Nachfolge, d.h. neben der Übernahme des Eigentums häufig auch die operative Fortführung der Geschäftstätigkeit.

Aber ist es das wirklich? Geht es Dir als NextGen nur darum? Was ist es wirklich, warum Du die Nachfolge antreten willst?

Hier ist es wichtig, dass Du als NextGen einmal den Blick auf Dich selbst richtest, um für Dich Klarheit zu schaffen, was Deine ganz persönlichen Beweggründe sind. Erfüllst Du vielleicht «nur» den Familienauftrag, weil es Dir so in die Wiege gelegt wurde oder brennt es in Deinem Innersten. Es geht um Deine bewusste Auseinandersetzung. Denn erst wenn Du Klarheit für Dich schaffst, entwickelst Du die innere Stärke, die Dir dann Vertrauen und Sicherheit bereitstellt, um Deine Nachfolgeprozess erfolgreich gestalten zu können.

Dieser Beitrag möchte Dich daher einmal zu Deiner ganz persönlichen Innenschau einladen, damit Du Dein «Warum» erkennst. Denn ohne Dein Ziel, treibst Du wahllos in Deinem Leben herum. Du vergoldest Deine Energie und somit Deinen Fokus. Nehme Dir daher genügend Zeit für die Beantwortung der nachfolgenden Fragen. Am besten schriftlich und sei ehrlich zu Dir selbst; ein anderer wird es nicht für Dich tun!

Wer war ich?

Deine Nachfolge beginnt nicht erst mit dem Einstieg in das Unternehmen. Diese beginnt schon viel früher, sogar bereits ab Deiner Geburt! Denn als Kind wirst Du in Deine Familie hineingeboren. Du erlebst (un-)bewusst den Umgang Deiner Eltern miteinander und mit dem Unternehmen über ihre Gespräche und Verhaltensweisen. Deine Eltern dienen Dir als Rollenvorbilder, die Dir einen Eindruck über die unternehmerische Verantwortung vorleben; an Dich aber auch Erwartungen stellen, die Du häufig unbewusst erfüllst. Deine Identität, d.h. Dein Selbstbild wird dadurch unweigerlich geprägt und beeinflusst somit Deinen Lebensweg. Oftmals hat das Unternehmen eine so starke Präsenz, dass Deine eigenen Bedürfnisse und Wünsche gar nicht so in den Vordergrund rücken konnten/können. Daher ist es wichtig seinen Blick auch einmal auf die Kindheit und Jugend zu richten. Folgende Fragen sollen Dir dabei helfen:

  • Welche Wünsche und Träume hattest Du als Kind/Jugendlicher?
  • Was war Dir wichtig?
  • Was hast Du gerne gemacht und was hast Du abgelehnt?
  • Wo konntest Du «Du» selbst sein und wo hast Du eher die Erwartungen Deiner Eltern erfüllt? Wie hast Du Dich dabei gefühlt?

Wer bin ich?

Gerade während der Nachfolge sehen sich viele NextGens mit der Herausforderung konfrontiert den Balanceakt zwischen den familiären und unternehmerischen Erwartungen zu meistern. Unweigerlich tritt während der Nachfolge aber auch die Frage nach den eigenen Bedürfnissen und der Gestaltung der eigenen Freiräume in den Vordergrund. Darf ich überhaupt ein eigenständiges Leben neben dem Unternehmen und meiner Familie führen? Einen Raum nur für mich? Ohne schlechtes Gewissen meiner Familie und dem Unternehmen gegenüber?

Sich und seinen Bedürfnissen den notwendigen Raum zuzugestehen ist kein Widerspruch zu einer erfolgreichen Fortführung Deines Unternehmens. Dein Familienunternehmen lebt und wächst durch Deine Klarheit Dir selbst gegenüber. Im Zuge Deiner Nachfolge solltest Du Dir daher über Dich und Deine Bedürfnisse Bewusstheit verschaffen, damit Du Dich mit Deinem Unternehmen verwirklichen kannst.

  • Was ist Dir wichtig? Was hat wenig Bedeutung für Dich?
  • Was ist es, was Dir in Deinem Leben wirklich Freude macht? Was würdest Du davon gerne mehr machen?
  • Welche Dinge kannst Du wirklich gut?
  • Wo verbiegst Du Dich, wo funktionierst Du mehr als Du über Dich selbst bestimmst und was ist genau das, wo Du sagst «dem möchte ich treu bleiben?»

Wer will ich sein?

Hier geht es um Deine ganz persönliche Vision und die Antwort auf die Frage, warum Du Dich mit Deinem Familienunternehmen zukünftig verwirklichen möchtest. Dein Zielbild liefert Dir eine klare Orientierung. Es ist Dein Fixpunkt, der Dir auch in stürmischen Zeiten dabei hilft, nicht den Mut zu verlieren und im Vertrauen zu bleiben. Das «Wie» ist an dieser Stelle noch zweitrangig. Zu schnell engt die Antwort darauf Deinen Fokus ein und vergoldet Deine Energie. Denn wenn Du nicht weißt «Wohin», kannst Du Deine Gedanken nicht bündeln. Wie heißt es so schön: «Der Kapitän, der seinen Hafen nicht kennt, dem ist jeder Wind recht!»

Wichtig ist, dass Dein Ziel, Dein Warum Deinen eigenen Werten und Vorstellungen entspricht. Es macht absolut keinen Sinn etwas von Deiner Familie zu übernehmen, hinter dem Du vielleicht gar nicht stehst bzw. was Dir nicht entspricht. An dieser Stelle schließt sich auch der Kreis zu den vorhergegangenen Fragen. Berücksichtige diese bei der Beantwortung der nachfolgenden Fragen:

  • Welche Erfahrung möchtest Du machen?
  • Wie genau möchtest Du leben?
  • Welche Werte sind Dir wichtig?
  • Was ist es, was Du genau willst?
  • Warum möchtest Du Dich mit Deinem Familienunternehmen verwirklichen?
  • Was brauchst Du für die Erreichung Deines Zieles (Unterstützung anderer Menschen, theoretischen Input, usw.)?

Kurz & knapp

  • NextGens sind während der Nachfolge mit vielen Herausforderungen und Unsicherheiten konfrontiert. Die täglichen unternehmerischen Anforderungen können dabei den Blick für die eigenen Bedürfnisse verschließen, was zu Frustration und Selbstzweifel führen kann.
  • NextGens sollten Klarheit über ihre eigenen Motive und das eigene «Warum» haben. Dies liefert gerade in schwierigen Zeiten eine Klare Orientierung, erhöht die eigene Resilienz und Motivation.
  • NextGens sind unweigerlich Zweifeln ausgesetzt. Nicht nur während oder nach der Nachfolge, auch bereits davor. Zweifel sind etwas ganz Natürliches und dürfen sein. Die eigene Klarheit hilft dabei, den eigenen Fokus nicht zu verlieren oder den Herausforderungen völlig ausgeliefert zu sein. Klarheit schafft innere Stärke und dies ist die Basis für das eigene Vertrauen, um mit Selbstsicherheit die Nachfolge zu realisieren.

Herr Dr. Simon Caspary ist selbst NextGen eines Familienunternehmens und ausgebildeter Berater und Coach für Familienunternehmen mit dem Schwerpunkt auf die Nachfolge in Familienunternehmen.

Geschrieben von Dr. Simon Caspary

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